In einer unregelmäßig erscheinenden Reihe „Nachrichten vom Lande“ erzähle ich (aks) kleine Geschichten und Erlebnisse vom Land.
Heute erscheint der erste Beitrag:
Überregulierung der lokalen Märkte: Die Hygiene kommt!
Neulich war hier in Mecklenburg Vorpommern auf Burg Klempenow der jährliche Wintermarkt. Der Markt ist sehr beliebt, viele KunsthandwerkerInnen verkaufen da ihre Sachen, es gibt ein großes Kulturangebot für Groß und Klein und natürlich auch viele Essens-Stände von KleinproduzentInnen und Biohöfen, die ihre selbstgemachten Lebensmittel, warmes Essen und Kuchen dort verkauften.
Unser Selbstversorgerhof macht nicht oft Marktstände, aber das Event auf Burg Klempenow ist etwas besonderes, man trifft Freunde, lernt nette Leute kennen und so ist der Markt für die Kontaktpflege in der Region wichtig. Deshalb machen auch wir dort seit Jahren auf dem Wintermarkt einen Stand.
Wie jedes Jahr kamen auch zwei Vertreter vom Hygieneamt, um die Einhaltung der Vorschriften zu kontrollieren. Diemal verboten sie einem lokalen Imker seinen Honig weiter auf dem Markt zu verkaufen, – weil kein Mindesthaltbarkeitsdatum auf seinen Etiketten stand. Bei anderen wurden die fehlende Berufskleidung (Schürzen) bemängelt.
An unserem Stand verkauften wir einen sehr leckeren warmen Eintopf. Das Gemüse, die Bohnen und die Wurst darin, hatten wir alles selbst auf dem Hof produziert. Wir kochten den Eintopf in einem großen gußeisernen Kessel, unter dem man ein kleines Feuerchen macht. So kann man das Essen über Stunden warm halten. Laut der Hygienevorschrift fehlte aber das fliessend heiße und kalte Wasser, um Hände waschen zu können. Aber wo soll man mitten auf einem Markt fließendes heißes Wasser hernehmen?
Wir hatten zum Verkauf auch Produkte von einer befreundeten französischen Kooperative dabei. In einer bio-zertifizierten, offiziellen Verarbeitungsanlage machen sie z.B. Auberginen-Caviar und eingelegtes Gemüse in Gläsern. Die Etiketten auf den Gläsern sind auf Französisch, da sie in erster Linie für den lokalen Markt produzieren. Wir wollten interessierte KundInnen natürlich nicht im ungewissen zu lassen, was sie da eventuell kaufen würden. Deshalb legten wir eine Liste mit den jeweiligen Übersetzungen daneben. Aber auch das gefiel “der Hygiene” nicht, die Etiketten hätten auf Deutsch zu sein – soviel zum Zusammenwachsen von Europa.
Als wir nach dem Markt zurück auf den Hof kamen, hörten wir vom neuesten Lebensmittelskandal aus der industriellen Landwirtschafts- und Produktionswelt. Tonnenweise gammeliges Fleisch wurde aus den Supermärkten zurückgerufen.
Klar muss bei Lebensmitteln auf einen “hygienischen Umgang” geachtet werden und dieser auch kontrolliert werden. Aber irgendwie stimmen die Relationen nicht. Die strengen Vorschriften scheinen für die industrielle Massenproduktion nicht ausreichend zu sein. Zunehmend gibt es große, gefährliche Skandale. Die halbangetaute chinesische Erdbeer-Skandlgeschichte ist auch noch nicht lange her. Ähnlich strenge und bürokratisch aufwendige Vorschriften und Kontrollen bei KleinproduzentInnen sind dagegen überzogen. Die lokal produzierten Waren sind frisch und der Weg zum Kunden direkter, schon das ist eine gute Vorbeugung gegen “schlecht gewordenes Essen”. Die Auflagen sind z.T. so umfassend und aufwendig, dass es sich für KleinproduzentInnen bald nicht mehr lohnt ihre Produkte auf Märkten zu verkaufen.
Gestern kam ein Brief vom Hygieneamt wegen dem Markt auf der Burg Klempenow: ein Verwarnungsgeld von 35 €.
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