…. Wenn ihr diesen Zettel lest, wird im hessischen Dannenröder Wald Widerstand gegen den Weiterbau der A49 geleistet. Zwischen Gießen und Kassel soll die Autobahn durch ein Naturschutzgebiet und durch ein wichtiges Trinkwasserschutzgebiet gebaut werden. Und dafür sollen rund 100ha gesunder Mischwald gerodet werden. Protest in der Region gibt es schon so lange wie der Plan der Autobahn alt ist, seit 40 Jahren. Seit gut einem Jahr gibt es dort eine Besetzung des Waldes mit Hütten und Baumhäusern. Durch die Besetzung ist letztes Jahr die damals angekündigte Rodung des Waldes erst mal ausgesetzt worden. Die Aktion wurde weiter aufrechterhalten und die Baumhäuser wurden ausgebaut. Aktuell wohnen einige Menschen in dem Wald, verteilt auf mehrere Baumhausdörfer, und im Unterstützer*innen-Camp in der Nähe. Dort wird Öffentlichkeitsarbeit betrieben und natürlich werden weiterhin die zur Zeit stattfindenden Rodungsarbeiten behindert.
Aber was hat das mit Lebensmitteln zu tun?
Vieles von unserem Essen hat weite Strecken zurückgelegt, von den bekannten Tomaten aus Spanien über Sonnenblumenkerne aus China bis zu Backwaren, die quer durchs Land gefahren werden. Zum Beispiel fährt die Bäckerei Münchner Hofpfisterei ihr Bio-Brot nachts von Bayern nach Berlin, damit es hier frisch angeboten werden kann. Ich frage mich, warum Tomaten aus dem äußersten Zipfel Europas hier fast das ganze Jahr angeboten werden müssen. Und gibt es keine Sonnenblumenkerne in unserer Region und keine Biobäckereien in Berlin? Wie kann es sein, dass trotz der weiten Entfernung diese Lebensmittel immer noch so billig sind? Ganz einfach ist da die Antwort natürlich nicht. Da geht es oft um den Preis, da die Bäuer*innen und Gärtner*innen wo anders für weniger Lohn arbeiten. Teilweise werden die Produktionskosten mit illegalisierten Migrant*innen als Arbeitskräfte gesenkt, z.B. in Almería, ganz im Süden Spaniens, wo die größten Gewächshäuser Europas stehen.
Wo ist der Zusammenhang zu Agrardiversität? Die weiten Lebensmittel-Transporte machen nur Sinn, wenn große Mengen von einer Sorte angebaut werden. Also in
Monokulturen, auf Kosten der Agrardiversität, der Natur, der Arbeiter*innen, mit viel Technik und Zerstörung einer kleinteiligen Landwirtschaft. Und dann sind das meistens Hybrid-Sorten, die eher gleichförmig wachsen. Je gleichförmiger die Früchte, umso genauer können z.B. die Transportkosten kalkuliert werden. Denn es macht einen finanziellen Unterschied, ob in der Kiste beispielsweise immer 12 Gurken oder wegen Uneinheitlichkeit nur 8 – 10 drin sein können, was bei dem harten Preiskampf der Lebensmiteildiscounter ja wichtig ist. Das Thema wurde mal unter dem Motto „Wie absurd ist die Regelwut der EU“ diskutiert. Der Hintergrund war wirtschaftlicher Natur und wurde leider nicht mit thematisiert. Damit wurde auch nicht benannt, dass der Preis für eine gleichförmige Ernte das jährliche Neukaufen von Saatgut oder Jungpflanzen ist, weil das Gewinnen und Anbauen von Saatgut von Hybriden nicht sinnvoll ist.
Je nachdem unter welchem Gesichtspunkt die ökologischen Bilanzen von einzelnen Lebensmitteln angeschaut werden, ist der Transport auch nicht der riesige Anteil, der einer enkel*innentauglichen Lebensweise im Weg steht. Mit der Ausnahme von „Flugware“ wie hierzulande verkauftem Spargel aus Südamerika, reif geernteten Mangos/Ananas, frischem Fisch, Hummer oder südafrikanischen Erdbeeren. Aber bei den verschiedene Schrauben, die auch ineinandergreifen, an denen wir mit Eigenverantwortung drehen können um den Planeten nicht vor die Wand zu fahren, ist die Option des Kaufs von Lebensmitteln aus regionaler Erzeugung eine.
Bei der A49 gibt es einen Konzern, der konkret von der Autobahn profitieren würde. In der letzten Wochen wurde nun auch zweimal das Ferrero-Werk in Stadtallendorf von Gegner*innen der A49 besucht und für mehrere Stunden der Hauptzugang blockiert. In dem Werk werde alle in Deutschland vertriebenen Marken von Ferrero produziert, also u.a. nutella, Mon Chéri, Duplo, Ferrero Küsschen, Yogurette, Milch-Schnitte, Raffaello, Tic Tac.
Neben den bekannten Auswirkungen von Verkehr in Bezug auf das weltweite Klima geht es bei den Protesten auch um die Diversität des alten Waldes mit seiner Flora und Fauna. Dieser kann nicht einfach so wieder irgendwo aufgebaut werden, sondern ist dann unwiederbringlich durch den Bau der Autobahn zerstört.
Zur aktuellen Situation könnt ihr unter https://twitter.com/keinea49 schauen.
Infos zur Besetzung gibt es unter https://waldstattasphalt.blackblogs.org/ .
Von Wald statt Asphalt ist auch diese Erklärung: „Besetzung – Warum?Wir sehen sehr viele gute Gründe Widerstand gegen den Bau der A49 zu leisten und Alternativen zu organisieren. Einige dieser Gründe haben wir hier zusammengetragen.Für die Form des Widerstands (Besetzung und direkte Aktion) haben wir uns entschieden, weil andere Formen des Widerstands (wie Demos, Petitionen, Klagen & Apelle an politische Entscheidungsträger*innen) den Bau der A49 bisher nicht aufhalten konnten und mit den Rodungen nun Fakten geschaffen werden sollen. Veränderung braucht mutiges und entschlossenes Handeln – deswegen besetzen wir!
SYSTEMWANDEL STATT KLIMAWANDEL – ÖKOLOGISCHE KRISE AUFHALTENWir befinden uns in einer globalen ökologischen Krise. Diese zeigt sich, um nur einige Beispiele zunennen, nicht nur im Klimawandel, sondern ebenso im Aussterben von Tier- und Pflanzenarten, dem Verlust von fruchtbaren Böden und dem Absinken des Grundwasserspiegels.Die Ursache für diese ökologische Krise ist der stetig wachsende Verbrauch von natürlichen Ressourcen (und den daraus entstehenden Folgen) in einem Wirtschaftssystem, das auf unbegrenztes Wachstum setzt. Mehr Wachstum bedeutet auch mehr Verbrauch von Ressourcen, egal wie “effizient” eine Wirtschaft ist. Die natürlichen Ressourcen dieser Erde sind jedoch begrenzt: Nicht-nachwachsende Rohstoffe lassen sich nicht unbegrenzt wiederverwenden und auch nachwachsende Rohstoffe haben Grenzen durch Regenerationszeiten (ein Wald kann nicht schneller abgeholzt werden, als er nachwächst, wenn die Ressource dauerhaft genutzt werden soll). Die Vorstellung von unbegrenztem wirtschaftlichem Wachstum steht damit im grundlegenden Widerspruch zu der Idee von Nachhaltigkeit. Dazu kommt: Wer im kapitalistischen Wirtschaftssystem nicht auf Wachstum setzt, ist nicht konkurrenzfähig und wird verdrängt. Jeder – auch noch so gut gemeinte – Versuch innerhalb des Kapitalismus echte Lösungen für die ökologische Krise zu finden, ist deswegen zum scheitern verurteilt! Alle Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit, die in Politik und Wirtschaft unternommen werden, ohne diesen Grundwiderspruch zwischen Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit anzuerkennen, können zwar das Gefühl vermitteln, dass etwas getan wird, werden aber letztlich ins Leere laufen (so wie das kürzlich verabschiedete “Klimapaket” der Bundesregierung)! Deswegen sagen wir: Systemwandel statt Klimawandel!Für ein Wirtschaftssystem, das statt Wachstum und Profitstreben die Bedürfnisse aller Lebewesen sowie ökologische Kreisläufe in den Mittelpunkt stellt! TRINKWASSERVERSORGUNG SICHERN In anderen Regionen der Welt ist die Versorgung mit Trinkwasser bereits heute prekär und verschlechtert sich mit der fortschreitenden Erderwärmung. Aber sogar in Regionen, in denen das wichtigste Lebensmittel scheinbar unbegrenzt aus jedem Wasserhahn fließt, zeigt sich, dass Trinkwasser nicht unbegrenzt zur Verfügung steht und wir mit dieser wertvollen Ressource verantwortungsvoll und weitsichtig umgehen müssen. Auch hier im Wasserschutzgebiet des Gleentals sinkt der Grundwasserspiegel seit Jahren immer weiter ab. Trinkwasser wird von hier bis Frankfurt gepumpt, während in Frankfurt lokale Brunnen stillgelegt werden (Artikel dazu in der Alsfelder Allgemeine: tinyurl.com/y4hssu9h). Jetzt noch eine Autobahn mitten durch dieses Schutzgebiet zu bauen ist das Gegenteil von verantwortungsvoll und weitsichtig!KLIMASCHUTZ UND GLOBALE (KLIMA-)GERECHTIGKEIT UMSETZEN Der Auto- & LKW-Verkehr trägt mindestens 3-fach zum Klimawandel bei: 1. Durch CO2 Ausstoß bei der Produktion der Fahrzeuge; 2. Durch den Straßenbau – für den Flächen verschwinden, die ansonsten CO2 aufnehmen könnten (z.B. Wälder) – sowie 3. Durch die Verbrennung von Benzin & Diesel im Betrieb.Die Folgen des Klimawandels in Form von Dürren, steigendem Meeresspiegel, Unwettern u.ä. treffen vor allem Menschen im Globalen Süden. Dies ist alles andere als gerecht, da Hauptverursacher des Klimawandels die Staaten des Globalen Nordens sind. Außerdem werden beim Abbau und der Weiterverarbeitung der benötigten Ressourcen weitere Unweltschäden verursacht und Menschen – erneut vor allem in Ländern des Globalen Südens – unter unwürdigen bis gefährlichen Produktionsbedingungen beschäftigt (z.B. Stahl-, Elektronik- und Metallindustrie). Das globale Verkehrs- & Transportwesen muss sich radikal verändern, wenn die Erderwärmung aufgehalten und globale (Klima-)Gerechtigkeit umgesetzt werden soll! LEBENSRAUM FÜR TIERE UND PFLANZEN SCHAFFEN UND ERHALTEN Die Flächen, die wertvollen und vielfältigen Lebensraum für Pflanzen und Tiere bieten, schwinden weltweit in dramatischer Geschwindigkeit. Grund dafür ist, dass der Mensch als eines dieser Lebewesen (als ein Tier unter vielen) sich unverhältnismäßig viel dieses Lebensraums aneignet und meist alleine auf seine Bedürfnisse ausrichtet. Der Landschaftsverbrauch in Deutschland beträgt zur Zeit 100 Hektar = 140 Fußballfelder am Tag (Quelle: NABU-Bundeswildwegeplan). Untersuchungen zeigen, dass durch den Bau von Straßen und Siedlungen der Lebensraum von Tieren immer stärker verinselt/fragmentiert, was dazu führt, dass die genetische Vielfalt innerhalb der Arten abnimmt (Weitere Infos hierzu z.B. im NABU-Bundeswildwegeplan: tinyurl.com/yyr8dj5s). Ein paar Grünbrücken, die diese zerschnittenen Landschaften zusammenhalten sollen, können dieses Problem nicht lösen! RESSOURCENVERBRAUCH REDUZIEREN – VERKEHRSWENDE UMSETZEN Der motorisierte Individualverkehr mit Autos sowie der Transport von Waren mit LKW, ist zusammen mit der dafür bereitgestellten Infrastruktur eine gigantische Verschwendung von Ressourcen (Kunststoffe, Metalle, Sand, Wasser, Brennstoffe, fruchtbarer Boden, …)! Ein Verkehrs-& Transportwesen, das auf Fahrräder, Busse und Schienenverkehr setzt und sich gleichzeitig konsequent an der Frage orientiert, wie Verkehr und Transport durch lokale Wirtschaftskreisläufe auf ein Minimalmaß reduziert werden können, würde nur einen Bruchteil der Ressourcen benötigen (ausführlichere Vorschläge hierzu: keine-a49.tk). Die Ressourcen, die wir für ein Gutes Leben brauchen, könnten wir (fast) alle in unserer unmittelbaren Nähe finden! A49 IN NO ONES BACKYARD! Uns geht es um viel mehr als eine “not in my backyard”-Mentalität. Klar: wir wollen keine hässliche Autobahn in unserer Nähe – aber genauso wenig wollen wir, dass irgendwer anderes diese Autobahn in seiner Nähe hat. Einfach nur über das “Wo” eines solchen Projekts zu streiten, verschleiert die viel wichtigere Frage: Warum sollte angesichts der dramatischen ökologischen Krise in der wir uns befinden – in einem Staat, der bereits jetzt über eines der dichtesten Straßennetze verfügt – überhaupt noch eine Autobahn gebaut werden?Wir brauchen keine neuen Autobahnen, sondern sinnvolle Antworten auf die ökologische Krise!“