Bio-Div-Abo Februar 2022 Tour 3

Hallo Freundinnen der Agrar-Diversität, Lagergemüse-Liebhaberinnen und
Interessierte an Politik rund um das Essen,

Hier ist der dem Abo beigelegte Info-Zettel der Februar 2022-Kiste des Bio-Div-Abos. Damit Du/Ihr eine Idee bekommt worum es geht. Oder zum Nachlesen, falls du ihn nicht mehr zur Hand hast. Diesmal mit:

Sellerie von Ludwig aus Börnecke
Kartoffeln vom Hof Walden
Pastinaken von Ludwig aus Börnecke
Topinambur vom Hof Walden
Eingelegte Zucchini vom Hofkollektiv Bienenwerder
Hartweizen-Pasta von der Kooperative Iris

Variationen möglich mit:
Marienroggen-Brot vom Kollektiv Backstube
Apfel-Misch-Saft der Mosterei Ketzür

Die jeweilige Zusammensetzung variiert, der Warenwert ist immer ca. 18 € (Variationen nötig und möglich, u.a. wegen den angegeben Einschränkungen, bzw. individuellen Wünschen) // Das Abo besteht wie immer aus gentechnikfreien Lebensmitteln, die u.a. aus samenfestem Saatgut gezogen wurden, bzw. aus Misch-Saft aus regionalen Äpfeln und Gemüse, die großteils in solidar-ökonomischen Strukturen verarbeitet wurden.

Im Februar ist in Berlin ja immer die Berlinale. Deshalb habe ich in den letzten Jahren an dieser Stelle immer wieder auf das „Kulinarische Kino“ während der Berlinale hingewiesen. Das war ein Seitenprogramm, das es von 2007 bis 2019 gab. Leider ist das Geschichte und es gibt dieses Format nicht mehr. Das ist sehr schade, da dort sehr spannende Spielfilme und Dokumentationen gezeigt wurden, die es nie in die hiesigen Kinoprogramme geschafft haben.

Aber warum nun Berlinale in diesem Beipackzettel, wo es doch um Agrar-Diversität geht? Weil der Bogen vom Kulinarischen Kino zur Werbung auf der Berlinale 2020 und einer Apfelsorte geschlagen wird.
Bei der Recherche 2020 zur Frage, warum es keine Lebensmittelfilme mehr in dieser Form einer eigenen Reihe gibt, bin ich bei den Werbepartnerinnen und Unterstützerinnen an einem Apfel hängengeblieben. An sich hieß es dort, dass es eine „Neuausrichtung des Filmfestivals“ gibt, die dann hieß: „Die Berlinale 2020 bekennt sich zur Agenda 2030 der Vereinten Nationen und damit zu einer nachhaltigen Entwicklung.“ Das klingt erst mal gut. Aber warum dann ein „Supplier“ wie „Kanzi®-Apfel“?
Klar, wen interessiert, wer „Supplier“ bei der Berlinale ist? Auch die Supplier-Liste ist länger und ging 2020 vom Möbelhersteller Benz bis zu einem Akku-Hersteller und Berliner Kindl, von einem Kino-Technik-Hersteller über ChariTea hin zum Bio-Safthersteller Voelkel. In diesem Jahr ist die Liste viel kürzer. ChariTea und Voelkel sind noch dabei und ebenso ein deutsches Weininstitut und Husumer Mineralbrunnen mit dem Mineralwasser Viva con Agua. Und dieses Jahr ohne Kanzi®-Apfel. Trotzdem finde ich es einen guten Aufhänger, darüber zu schreiben und den Blick zu schärfen.

Was stört an Kanzi®-Apfel?
Bei Kanzi®-Apfel hab ich mich gefragt, wie es kommt, das eine Film-Reihe auf dem Festival eingestampft wird, bei der es um gutes und auch vielfältiges Essen geht und es dann einen neuen „Supplier“ gibt, der EINE Apfelsorte weltweit anpreist. Auf diese Frage habe ich keine Antwort gefunden, ich kann mir nur was zusammen reimen wie „money makes the world go round“, nicht genau hingeschaut oder einfach „egal, ist doch coole Werbung, wenn da Äpfel verteilt werden“.
Der Auftritt der Marke bei dem Filmfestival war der Abschluss einer Werbekampagne, in der vorher schon 20 Influencerinnen Werbung auf ihren Kanälen für diese Apfelmarke gemacht haben und die dann mit Bildern mit dem roten Apfel und dem roten Teppich im Hintergrund präsentiert wurden. Bei den Filmvorführungen wurde der Apfel verteilt und so auch nochmal für Presse-Vertreterinnen in Szene gesetzt.
Ich habe mich noch weiter mit dem Thema beschäftigt. Eigentlich heißt die Sorte Nicoter und der Name Kanzi®-Apfel ist der eingetragene Markenname. Diese Sorte ist auch „nur“ eine Kreuzung aus den marktüblichen Sorten Gala und Braeburn. Da diese Clubsorte¹ ein eingetragenes Markenzeichen ist, müssen die Anbauer*innen Lizenz-Gebühren zahlen, auch über den üblichen Pflanzen-Sortenschutz hinaus, ähnlich wie bei dem Hartweizen Kamut². Dazu ist die Sorte anfällig für Schorf, was zur Folge hat, dass Pestizide gegen Schorf eingesetzt werden. Bei falscher Lagerung kann relativ leicht Fruchtfleischbräune eintreten. Insbesondere in Gegenden mit wenig Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht, unter Hagelnetzen und in der Mitte des Baumes färben sich die Früchte oft nur schlecht aus. Im Jahr 2009 erfüllten nur etwa drei Viertel der Nicoter-Äpfel die Verkaufs-Kriterien, um als Kanzi verkauft werden zu können. Wie oder ob überhaupt das übrige Viertel verkauft/gegessen wurde, ist nicht nachvollziehbar. Und wie ein aggressives Bewerben einer solchen Sorte als Eigenmarke mit dem Bekenntnis der Berlinale zu einer nachhaltigen Entwicklung in Einklang zu bringen ist, bleibt offen.

Diese Apfel-Marke ist vielmehr die Fortführung des Markenwahns, den Naomi Klein in ihrem Buch „No Logo!“ analysiert und kritisiert. Auch wenn in dem Buch mit Starbucks schon Lebensmittel in diese Analyse eingeschlossenen wurden, geht der Markenwahn mit einem Apfel noch weiter, da es „nur“ eine spezielle Apfelsorte mit einem bestimmten Label ist. Das finde ich subtiler als ein Label, das für eine ganze Kaffeehaus-Kette steht. Diesen Markenwahn und die damit verbundenen Mehrkosten für die Marke gibt es auch schon bei anderen Lebensmitteln, wie mensch bei Kamutweizen sieht, aber auch bei „abgefülltem Leitungswasser“ von Nestlé. Klein beschreibt in dem Buch von 2000 ganz gut, wie der Markenwahn bei den Verbraucher*innen wirkt, Konsumverhalten verändert und – wie der Untertitel der Deutschen Ausgabe von „No Logo!“ es gut zusammenfasst – „der Kampf der Global Players um Marktmacht – ein Spiel mit vielen Verlierern und wenigen Gewinnern“ ist.

Ich kann das Buch „No Logo!“ euch sehr ans Herz legen und empfehlen.

¹ Bei Wikipedia heißt es: „Eine Clubsorte ist eine Obstsorte, die einer zentralen Qualitäts-Kontrolle unterliegt und nur von einer begrenzten Zahl von Produzenten (dem „Club“) unter einem eigenen Markennamen in den Handel gebracht wird. Der Sortenname ist dabei anders als der Handelsname, unter dem die Frucht in den Markt gebracht wird. Während der Sortenschutz für neugezüchtete Sorten für 30 Jahre besteht, kann der Markenname als Marke eingetragen und unbeschränkt lange weiter geschützt werden.
Clubsorten sind Ende des 20. Jahrhunderts aufgekommen und befinden sich auch noch in den 2010er Jahren in starkem Aufschwung. 2009 waren etwa 30 Clubsorten weltweit im Handel verbreitet. Vorangetrieben wird diese Entwicklung vor allem aus Europa.“
² Ebenso Wikipedia, im Artikel zu Khorasan-Weizen: „Landwirte aus Montana (USA) ließen sich das altägyptische Wort „Kamut“ für den biologischen Khorasan-Weizenanbau als Marke schützen und vermarkten ihn unter dieser Bezeichnung. Dadurch bürgerte sich „Kamut“ auch in Deutschland als Synonym für den Khorasan-Weizen ein.“

Der Inhalt der Kiste:
Sellerie von Ludwig aus Börnecke

Knollensellerie wurde in Mitteleuropa schon in traditionellen Bauerngärten angebaut. Sie wurde aus einer heimischen Wildform kultiviert. Die wilde Sellerie wächst an Quellen und anderen eher feuchten Orten, wie in Meeresnähe. Im Herbst gab es mal eine frühe Sorte der Sellerie, mit viel „Grün“ dran. Nun ist ja Zeit für Lagergemüse, deswegen kommt nun eine Knolle ohne Grün.
Kleine Anekdote: Als ich im letzten Jahr im Mai beim Hof Ulenkrug eine Freundin besucht habe, sollte ich Gemüse aus dem Keller holen und ich war baff, wie die Sellerie in Sand eingeschlagen noch total knackig war. Das nennt mensch dann gute Lagerfähigkeit.

Kartoffeln vom Hof Walden
Die Kartoffeln im Abo sind auch in diesem Monat von der Sorte Blaue Anneliese. Sie ist eine Züchtung aus der Lüneburger Heide. Mit ihrem tiefblauen Fruchtfleisch und ihrer blauen Schale ist sie ein echter Hingucker. Der Geschmack wird mit „leicht cremig, mild nussig (erinnert an Maronen)“ beschrieben.
Die Blaue Anneliese lässt sich als vorwiegend festkochende Sorte hervorragend zu Kartoffelsalat, Püree und Salzkartoffel verarbeiten. Aufgrund ihrer glatten Schale kann man sie gut schälen. Mit ihrer blauen Farbe, die auch das Kochen übersteht, eignet sich die Knolle besonders für dekorative Gerichte. Mit andersfarbigen Sorten gemischt ergibt das dann z.B. einen mehrfarbigen Kartoffelsalat. Farblich richtig was her macht diese Kartoffel als Backkartoffel auch in Kombination mit orangefarbenen oder gelben Möhren. Ein richtiger Hingucker und bei Kindern beliebt ist auch blaues Kartoffelpüree.

~~~ Info zu den Pastinaken und Topinambur
Diese beiden Gemüse bekommt ihr ein wenig günstiger als geplant. U.a. im Zuge der Aufwandsminimierung der Arbeit bei Schnittstelle wurde das Gemüse mir mit einem Mal vor zwei Wochen geliefert bzw. abgeholt. Leider habe ich seither festgestellt, dass die Möglichkeit des Lagerns im Depot nur bedingt für Pastinaken und Topinambur geeignet ist. Und deswegen sind diese Gemüse teilweise ein wenig weich geworden. Dafür bitte ich um Entschuldigung. Es ist weiterhin schmackhaft und aromatisch und für Pfannengerichte und Suppen einwandfrei geeignet.
Schnittstelle wird das Thema der Lieferung und Lagerung perspektivisch angehen.

Pastinaken von Ludwig aus Börnecke
Nach Kartoffeln geht es mit Pastinaken als Lagergemüse weiter. Der Geschmack der Wurzeln ist süßlich-würzig und erinnert oft an Karotten und Sellerie, nur milder. Pastinaken lassen sich backen oder kochen und zu Cremesuppen und Pürees verarbeiten. Gerieben können sie wie Sellerie auch als Salat zubereitet werden. Pastinaken sollten nicht zu dunkel angebraten werden, da sie ansonsten einen bitteren Geschmack bekommen.
Heute ist die Pastinake wieder fast ein „normales Gemüse“. Ende der Achtziger- / Anfang der Neunzigerjahre war sie dagegen selbst im Biobereich ein Nischen-Gemüse. Heute gibt es Pastinaken in jeder gut sortierten Gemüseabteilung. In 2011/2012 war die Pastinake in Deutschland sogar Gemüse des Jahres! (Ja, so was gibt es!)

Topinambur vom Hof Walden
Die Haupterntezeit der Topinambur-Knollen ist zwar der Herbst, die Knollen können aber grundsätzlich das ganze Jahr hindurch geerntet und verzehrt werden. Ein gefrorener Boden im Winter ist nur ein wenig hinderlich. Ansonsten gilt: Topinambur wird immer frisch geerntet! Zur Zubereitung: Die Haut der Knolle ist im Gegensatz zur Kartoffel fein und dünn und muss nicht geschält werden. Topinambur eignet sich auch sehr gut als Einlage in Suppen oder als Teil von Gemüsepfannen. Wem der Geschmack beim Draufbeißen zu intensiv ist, kann sie geraspelt dazu geben, dann geben sie Suppen und Pfannen ein wunderbar gemüsiges, herzhaftes Aroma, ohne als Stücke direkt aufzufallen. Ihr könnt die Knollen auch als Hacke-Tobi zubereiten. Das Rezept steht auf der letzten Seite des Beipackzettels.

Eingelegte Zucchini vom Hofkollektiv Bienenwerder
Die hauchdünnen Zucchinischeiben sind in Salbei und Öl eingelegt und können als Antipasto (bei mehreren Sorten wäre es dann Antipasti) oder als Topping eines Brotes serviert werden.

Variationen möglich mit: Die Variationen ergeben sich aufgrund der unterschiedlichen Wünsche und Individualisierungen. Die Variation in diesem Monat ist, dass, wenn in einem Abo Brot enthalten sein soll, es dafür keinen Saft gibt. Teilweise gibt es noch individuelle Wünsche oder Allergien, die dann zu anderen Kombinationen führen, die hier nicht erwähnt werden.

Marienroggen-Brot vom Kollektiv Backstube
Der Roggen für dieses Brot kommt vom Gut Wilmersdorf bei Angermünde und ist von der „alte“ Sorte Marienroggen. Es ist ein Roggensauerteigbrot mit ganzen Körnern, gewälzt in Roggenflocken.

Apfel-Misch-Saft der Mosterei Ketzür
Diesen Monat hat die Kiste passend zur Jahreszeit einen Wurzelschwerpunkt. Bei den Säften gibt es teilweise als Variante einen Möhre-Ingwer-Saft der Mosterei Ketzür, westlich von Berlin.

Soweit,
nun euch einen juten Hunger,
HERBiE
für Schnittstelle

Rezept Hacke-Tobi

Für 4 Personen benötigst du:
ca 500 g Topinambur
2 Zwiebeln
2-3 Knoblauchzehen
Rauchpaprika
Salz
Pfeffer
Kräuter wie Thymian, Basilikum oder Rosmarin nach Belieben
optional etwas Kreuzkümmel
Bratöl und Olivenöl

Topinambur fein hacken, dass es etwa die Größe von Hack hat. Ein Mixer kann hier die Arbeit erleichtern und verkürzen. Zwiebeln separat ebenfalls hacken.
Topinambur dann trocken in der Pfanne leicht anrösten.
Nach einigen Minuten, wenn der Topinambur leicht angebräunt ist, mit Brat-Öl oder Olivenöl weiter anbraten.
Daneben (oder separat) Zwiebeln in Öl glasig dünsten.
Währenddessen Knoblauch schälen und fein hacken oder in der Presse bereit legen.
Wenn die Zwiebeln glasig sind, mit dem Topinambur vermischen.

Dann Gewürze und gepressten oder gehackten Knoblauch mit Olivenöl an einer freigeschobenen Stelle in der Pfanne kurz anbraten,
unter den Topinambur mischen, alles mit Salz, Pfeffer und Olivenöl abschmecken und fertig.

Passt sehr gut und sieht super aus zu Kartoffelstampf aus den blauen Kartoffeln.