Bio-Div-Abo April 2014

Hallo Freunde, kochbegeisterte und Genießer_innen der Agrarbiodiversität,

ihr haltet die April-Variante des Bio-Div-Abos in euren Händen.
Und der 17. April, ist der internationale (Aktions)Tag für die Rechte der Landlosen, Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, Fischer*innen und Landarbeiter*innen. Aus diesem Anlass gibt es auch in Berlin Veranstaltungen und ein fast schon traditionelles Gartenfest am Sonntag den 20. April, ab 14:00 im „Ton Steine Gärten“- Garten am Mariannenplatz. Schnittstelle informiert und lädt dazu ein …

In diesem Monat gibt es in der Kiste:
>>> 1 kg Steckrüben
>>> 1 x Wurst im Glas aus dem Wendland
oder 500 g rotes Quinoa über El-Puente bezogen
>>> 1 l Apfel-Birnen-Saft von der Mosterei Ketzür
>>> + 1 l Apfel-….. Saft von der Kommune Karmitz oder Mosterei Ketzür
>>> 0,5 kg Sauerkraut aus regionalem Anbau
>>> 500 g Dinkel-Pasta von der Genossenschaft Iris in Italien

Die jeweilige Zusammensetzung variiert (Variationen nötig und möglich, u.a. wegen den angegeben Einschränkungen, bzw. individuellen Wünschen )

Auch wenn es sich schon wie Frühling anfühlt, gibt es noch wenig Frisches aus dem Garten. Es ist immer noch die Zeit des Lagergemüses, des Eingemachten oder in den heutigen Zeiten: der Importware.
Um langfristig auch im Winter das Abo zu einer ‚Wundertüte‘ werden zu lassen, ist das Projekt Schnittstelle am Aufbau einer (Groß-)Küche im Berliner Umland beteiligt. Die Idee ist dort z.B. in die Produktion von eingelegten geringelten Beten und gelben Tomaten Passata einzusteigen. Auch wenn das noch ein Weilchen dauert bis es losgeht, ist das eine schöne Perspektive.
Dagegen hat der Umzug von Schnittstelle gut geklappt, so dass Schnittstelle jetzt mitten in den damit einhergehenden Umstellungen steckt.

Zur Kiste:
> 1 kg Steckrüben: In Notzeiten waren Steckrüben oft die letzte Nahrungsreserve für einen Großteil der Bevölkerung. Der sogenannte deutsche Steckrübenwinter war 1916/17 während des Ersten Weltkriegs („Früh Kohlrübensuppe, Mittags Koteletts von Kohlrüben, Abends Kohlrüben-Kuchen.“). Da die Kartoffelernte im Herbst 1916 eine Missernte war, wurden Steckrüben als Ersatz herangezogen. (Sie waren vorher hauptsächlich als Schweinefutter angebaut worden.) Viele Lebensmittel waren knapp in Deutschland und so dienten Steckrüben als Basis für verschiedenste Gerichte. 1917 erschienen eigens Steckrüben-Kochbücher mit Rezepten für z.B. Steckrüben-Marmelade, Aufläufe, Suppen, Steckrüben als Sauerkraut-Ersatz und sogar für Steckrüben-Kaffee. Das Rezept lautete: „Steckrüben raspeln und im Ofen trocknen. Die getrockneten Rübenschnitzel dann durch eine Kaffeemühle drehen…
Die Steckrübe war bei der Bevölkerung (trotzdem) unbeliebt. Am Ende des Winters 1917 hatte die Reichskartoffelstelle noch etwa 80 Millionen Zentner Steckrüben übrig. Aus ihnen wurde Dörrgemüse und Rübenmehl gemacht, was dann mit Kartoffelmehl und mit Maggi-Suppenwürfeln gemischt und als „Vollkost“ in den Handel gebracht wurde. Jede Familie musste eine gewisse Menge abnehmen, um andere Lebensmittel kaufen zu können.
Das Image als „Not-/Ersatzgemüse“ aus dieser Zeit erklärt warum ältere Leute eher nicht gut auf die Rübe zu sprechen sind und so die Steckrübe weitgehend in Vergessenheit geraten ist.
Dabei können Steckrüben durchaus sehr lecker zubereitet werden:
beispielsweise roh, geraspelt als Salat. Aber meist werden sie geschält, in dicke Stifte oder Würfel geschnitten und in Fett und Flüssigkeit gedünstet und anschließend je nach Rezept weiterverarbeiten. Chefkoch.de zeigt 301 Steckrüben-Rezepte an – lasst euch inspirieren!

> In der fleischigen Variante der Kiste gibt es diesmal ein Glas gekochte Wurst. Organisiert wird der Vertrieb von „Bio im Wendland“. Das Unternehmen war früher mal die Wendland-Coop, ein Versuch von Bauern in den 80ern, sich gemeinsam zu organisieren und den Vertrieb u.a. nach Berlin gemeinsam zu gestalten. Leider ist „Bio im Wendland“ heute kein Gemeinschaftsprojekt mehr, aber immer noch eher in der kleinteiligen Wirtschaft vertreten. Das Fleisch für die Wurst-Varianten im Glas kommt von ‚Welsh Black‘-Rindern. Das ist eine Rasse für die Fleischproduktion, die das ganze Jahr über im Freien gehalten wird.
Hier ein paar Zitate vom ‚Verband Deutscher Welsh Black Züchter und Halter e.V.‘ (spannend auf was mensch bei der Zucht wert legt, bzw. was für Schwerpunkte gesetzt werden, je nach Ausrichtung des Hofes):
„Anfangs als Zweinutzungsrasse gehalten, kommt ihr Milchreichtum heute als Fleischrind ausschließlich den Kälbern zu Gute. Diese entwickeln sich dementsprechend prächtig. In der Vergangenheit legten die Bäuer*innen in Wales neben guter Leistungen auch großen Wert auf Umgänglichkeit ihrer Kühe. Diese lange Selektion auf Gutartigkeit spiegelt sich heutzutage beim Besuch einer Welsh Black-Fleischrinderherde in der Ruhe und Ausgeglichenheit der Tiere wieder.“ „Welsh Black-Rindern wächst ein dickes, sehr dichtes Winterfell das im Frühjahr vollständig abgelegt wird. Sie sind im Sommer relativ glatt und kurzhaarig.“ „Die charakteristisch breiten Geburtswege der Kühe sowie ihre preiswerte Freilandhaltung machen Welsh Black zur beliebten Muttergrundlage“ oder „Jungbullen, …., erreichen hohe Schlachtgewichte ohne zu verfetten.“
Laut „Bio im Wendland“ ist Welsh Black im Wendland, mit oft ganzjährig draußen gehaltenen Rindern, eine beliebte Rasse.

In der nicht fleischigen Kiste ist rotes Quinoa drin:
Quinoa wird, ebenso wie Amarant, als glutenfreies Pseudogetreide oder als Inka-Korn bezeichnet. Botanisch zählt Quinoa aber zu den Fuchsschwanzgewächsen und ist damit eher mit Spinat oder Rüben verwandt. Auch wenn es hier in den Läden meistens ’nur‘ gelbes Quinoa gibt, haben die Bäuer*innen in Südamerika, im Andengebiet, eine Vielzahl von Varietäten gezüchtet. Quinoa hat einen hohen Eiweißgehalt und viele Mineralien. Es eignet sich als Zutat für Gemüsesuppen, ist sehr dekorativ als Beilage [als Reis-/Getreide-Ersatz (fürchterliches Wort)] oder als süsser Nachtisch.

> 0,5 kg Sauerkraut aus regionalem Anbau
Diversität und dann Sauerkraut? Ja, da es gefühlt mit der Vielfalt bei Gemüse ein wenig Rückläufig ist. Und eingemachtes Kraut war einfach mal ein Teil einer Ernährung im Winter. Und um aufzuzeigen, das es neben den immer verfügbaren paar Sorten, die es auf dem Markt zu kaufen gibt, wie Möhren, Paprika, Auberginen, Zwiebeln und verschiedene Salate, auch anderes gibt, nun mal Sauerkraut.

>Die verschiedenen Apfel-Säfte
Apfelsaft ist der beliebteste Saft in Deutschland, durchschnittlich trank 2012 jede Person 8,5 Liter. Insgesamt wurden 33,2 Liter Saft und Nektar aus Früchten und Gemüse getrunken.
Aber was hat das mit Biodiversität zu tun?
Viele Apfel-, Birnen und Quitten-Bäume stehen entlang der Landstraßen und Äcker, in Gärten und auf Wiesen, eben auf sogenannten Streuobstwiesen. Zum Teil erntete jahrelang niemand diese Bäume und das Obst endet unbeachtet als Fallobst.
Aber langsam scheint die Wertschätzung dafür wieder zu wachsen. Die Kleinmostereien, von denen der Saft in der BioDiv-Kiste stammt, sammeln ihr Obst auf Streuobstwiesen in der näheren Umgebung.

Streuobstwiesen sind nicht nur wichtig für den Erhalt von (Apfel-) Sortenvielfalt. Sie sind auch ein wichtiger Rückzugsraum für viele Vögel, Insekten und kleine Tiere. Klassischer Weise wurden in Streuobstwiesen ‚Hochstämme‘ gepflanzt. Sie gelten heute als historische Sorten, da sie aus der Plantagenwirtschaft fast verschwunden sind. Durch ihre Höhe können sie nicht so schnell und einfach abgeerntet werden, wie ‚Niedrigstamm‘-Bäume.

Zum 17. April: Das ist der internationale (Aktions)Tag für die Rechte der Landlosen, Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, Fischer*innen und Landarbeiter*innen, ausgerufen von La Via Campesina. La Via Campesina ist ein weltweites Netzwerk von Organisationen, dass den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern eine Stimme gibt und seit über 20 Jahren für eine Redemokratisierung des Lebensmittelsystems und für die Stärkung der Rechte von Kleinproduzent_innen eintritt. Einer ihrer zentralen Aktionstage ist der 17. April, der Tag des kleinbäuerlichen Widerstandes. Das Datum erinnert an das Massaker an der Landlosenbewegung MST im Norden Brasiliens durch die Polizei 1996, bei dem 14 Aktivist_innen starben. Seitdem wird jedes Jahr einerseits auf herrschende Ungerechtigkeiten und Konflikte im globalen Nahrungsmittelsystem aufmerksam gemacht (in diesem Jahr steht die Saatgut-Souveränität im Mittelpunkt). Anderseits wird aber auch die bestehende kleinbäuerliche Vielfalt gefeiert und auf deren Vorzüge gegenüber der industriellen Landwirtschaft hingewiesen. Auch in Berlin finden Veranstaltungen um den 17. April statt, über die der Schnittstellen-Blog informiert. Besonders herzlich laden wir euch ein zu dem Fest im Interkulturellen Garten „Ton, Steine, Gärten“ am Mariannenplatz am 20. April. Schnittstelle wird mit einem eigenen Stand vor Ort sein.

HERBIE
für das Projekt Schnittstelle

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