violette Möhren, Monsanto und die Frage nach geistigen Eigentum

Die Verbraucher*innen wollen, ‚Biodiversität‘ und bekommen sie auch, aber nicht immer mit der Idee die dahinter steht, sondern Diversität nur für das Auge.
Artikel von Edward Hammond * Austin, Texas, 20. Februar ( Übersetzung: Jeannette Lange )
Der Agrarkonzern Monsanto vermarktet eine violette Karotte aus der Türkei und beansprucht die Geistigen Eigentumsrechte an dieser Sorte
bunte möhren „Anthonina“ nennt Monsanto sein Produkt für den wachsenden Markt vielfarbiger Karotten – rot, gold, weiß und wie in diesem Fall violett, eine Farbe, die besonders von gesundheitsbewussten Verbrauchern mit dem Antioxidans „Anthocyan“ in Verbindung gebracht wird, einem natürlichen Pflanzenfarbstoff, der Herzerkrankungen vorbeugen soll.
Karotten sind orange, denkt man! Das ist holländischen Pflanzenzüchtern zu verdanken, die im 16. und 17. Jahrhundert, Karotten in dieser Farbe zu Ehren ihres Königshauses gezüchtet hatten, welche dann allgemein als übliche Farbe angenommen wurde. Wie kam nun die Monsanto-Tochter Seminis an violette Karotten, wo sie doch von Pflanzenzüchtern seit 300 Jahren vernachlässigt wurden? Durch ein intensives Zuchtprogramm? Nein. Durch gentechnische Methoden? Nein. Um eine violette Karotte auf den Markt bringen zu können,
ging Seminis dort hin, wo man nie aufgehört hatte verschiedenfarbige Karotten anzubauen – in diesem Fall die Süd-Türkei – und kaufte Samen von den örtlichen Bauern. Nach einem einfachen Selektionsprozess nannte das Unternehmen diese Karotte ihr Eigentum und beanspruchte die Sortenschutzrechte, sowohl in den USA (US PVPA Certificate 200400327), als auch in Europa (EU CPVO Certificate 20050779).
Das US-Sortenschutzzertifikat zeigt, wie wenig Innovation nötig ist, um sich mit Hilfe der Sortenschutzgesetze fremdes Saatgut anzueignen. Im Zertifikat steht, dass der ehemalige Seminis-Mitarbeiter John Wester im November 1999 Samen einer bäuerlichen Sorte von fremdbestäubenden Karotten in Adana (Türkei) erwarb. Anschließend schickte er das Saatgut den Pflanzenzüchtern des Unternehmens Seminis zu. Da auf der Verpackung kein Name verzeichnet war, wurde das Saatgut kurzerhand als solches der Sorte „Türkische schwarze
Karotte“ benannt. Dann, als ob beschämt vom eigenen Anspruch, rechtfertigte das Unternehmen den Erwerb Geistigen Eigentums auf einem Bauernmarkt, indem es auf saatguterhaltende Aktivitäten des US -Landewirtschaftsministeriums USDA und anderer Einrichtungen verwies, die ebenfalls in abgelegenen und isolierten Gebieten nach pflanzengenetischen Ressourcen suchen, deren Diversität neues und spannendes Potential bieten kann. In Seminis’ Fall allerdings nicht zum Erhalt der Diversität, sondern um Geistige
Eigentumsrechte und Gewinn daraus zu schöpfen. Genau genommen ist schon Seminis’ Angabe, Adana sei eine abgelegene und isolierte Gegend, falsch, da es sich um eine Stadt mit mehr als 1,5 Mio Einwohnern im Zentrum einer stark landwirtschaftlich geprägten Gegend handelt.
Der Prozess, durch den aus der bäuerlichen Sorte „Türkische schwarze Karotte“ Seminis’ patentgeschütztes Eigentum Anthonina wurde, ist simpel. Die türkische schwarze Karotte wurde nicht mit anderen Sorten gekreuzt. Seminis hat einfach den türkischen Samen ausgesät und die für ihren Zweck besten Karotten ausgewählt, insbesondere Pflanzen, welche langsam schossen und die erwünschte Form, als auch die violette Farbe hatten. Anthonina wurde innerhalb von sechs Generationen in Kalifornien, von Ende 2000 bis Anfang 2004, aus der „Türkischen schwarzen Karotte“ selektiert. Seminis beantragte und erhielt dann den Sortenschutz in den USA und später auch in Europa.

Was ist sonst bekannt über den Hintergrund der „Türkischen schwarzen Karotte“?
Seminis bekundet, dass John Wester seit einigen Jahren nicht mehr Angestellter ihres Unternehmens ist und ihnen auch sein Aufenthaltsort nicht bekannt ist. Anscheinend würde Seminis John Wester Anerkennung für die Entdeckung der Sorte zollen wollen, nicht aber den Bauern, die diese Saat ursprünglich entwickelten. Verteidiger des Patentrechts argumentieren, dass Monsanto bei der Aneignung von Anthonina nichts falsch gemacht habe und, dass die türkischen Bauern die schwarze Karotte weiterhin anbauen können.

Kein Schaden entstanden? Das stimmt nicht. Türkische Bauern können ihre schwarzen Karotten zwar noch anbauen, doch das eigentliche Problem liegt woanders. Die Argumentation geht an den kritischen Punkten vorbei und trifft nicht das Problem:
Erstens hat Seminis sehr wenig zur Entwicklung dieser Karotte beigetragen. Anthonina ist noch immer die Karotte, die türkische Bauern entwickelten, insbesondere im Hinblick auf die Eigenschaft, die sie zu etwas besonderem am Markt macht, ihre Farbe. Monsanto hat hier Eigentumsrechte an etwas erhalten, was sie definitiv nicht selbst entwickelt haben.

Zweitens, ein gerechter Vorteilsausgleich scheint völlig zu fehlen. Die Aneignung, wie auch die weitere Nutzung genetischer Ressourcen in Form der „Türkischen violetten Karotte“ durch Monsanto führte zu keinerlei Entschädigung für die Bauern, die diese Sorte entwickelten. Dabei hat die Türkei 1997, also zwei Jahre bevor die Karottensamen in die USA geschickt wurden, das Übereinkommen über biologische Vielfalt (CBD, Convention on
Biological Diversity) ratifiziert.
In diesem unüblichen Fall konnten die wichtigen Einzelheiten der Herkunft des Saatgutes aufgedeckt werden, die den enttäuschenden Vorgang belegen, mit dem Monsanto zum Eigentümer der Entwicklung Anderer geworden ist. Meist enthüllen die Antragssteller auf Geistige Eigentumsrechte die Quelle des Saatguts nicht oder werden sogar noch nicht einmal danach gefragt. Ein inakzeptabler Zustand im Sortenschutzrecht, welcher zu dem Diebstahl
bäuerlicher Ressourcen und Innovationen führt.

[*Edward Hammond ist Direktor der Organisation Prickly Research
(www.pricklyresearch.com) und arbeitet seit 1994 zum Thema Biodiversität]
Text erschienen in „TWN Info Service on Intellectual Property Issues (Feb14/12)
24 Februar 2014 – Third World Network, www.twn.my

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